Louis Vierne

Louis Vierne

geboren am 8.10.1870 in Poitiers, Poitou-Charentes, Frankreich

gestorben am 2.6.1937 in Paris, Île-de-France, Frankreich

Louis Vierne

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Louis Victor Jules Vierne (* 8. Oktober 1870 in Poitiers; 2. Juni 1937 in Paris) war ein französischer Organist und Komponist.

Leben

Louis Vierne und sein Bruder René Vierne (1878-1918) waren Söhne des Journalisten Henri Vierne.

Louis Vierne wurde mit einer schweren Sehbehinderung geboren. Die Familie zog 1873 nach Paris, wo Louis' Onkel Charles Colin seine musikalische Begabung entdeckte und ihn zum Klavierspiel ermunterte. Im Alter von sieben Jahren erlangte Louis ausreichend Sehkraft, so dass er sich im Alltagsleben weitgehend selbständig orientieren und großgedruckte Schrift lesen konnte.

Seit 1880 erhielt Vierne Klavierunterricht bei Henri Specht in Paris. Im selben Jahr hörte er erstmals César Franck als Organist in der Pariser Kirche Sainte Clotilde. Dieses Schlüsselerlebnis nannte er später in seinen Memoiren eine Offenbarung. 1881 trat Vierne in das Pariser Blindeninstitut ein und wurde dort von Henri Specht (Klavier) und Henri Adam (Violine) unterrichtet. Ab 1887 erhielt er Orgelunterricht bei Louis Lebel und, nach Lebels Tod zwei Jahre später, bei Adolphe Marty. Seit 1889 nahm Vierne Unterricht in Fuge bei César Franck. Sein Studium am Pariser Konservatorium, an dem er bereits vorher als Zuhörer Francks Orgelklasse besucht hatte, schloss er 1894 bei dessen Nachfolger Charles-Marie Widor mit einem ersten Preis in Orgelspiel und Improvisation ab.

1892 ernannte Widor seinen Schüler Vierne zum Stellvertreter an der Orgel der Pariser Kirche Saint-Sulpice. Nach Viernes erstem Preis in Orgel 1894 wurde er zusätzlich Widors Assistent in der Orgelklasse am Pariser Konservatorium. 1898 schrieb Vierne seine erste Orgelsinfonie op. 14. Ein Jahr später heiratete er die Sängerin Arlette Taskin, von der er 1909 wieder geschieden wurde.

Im Jahre 1900 wurde Louis Vierne nach einem Vorspielen unter mehreren Bewerbern ausgewählt und zum Titularorganisten der Kathedrale Notre-Dame de Paris ernannt, eine Stelle, die er bis zu seinem Tode innehatte. Darüber hinaus arbeitete er als Assistent von Alexandre Guilmant, Widors Nachfolger als Orgelprofessor am Pariser Konservatorium, und unterrichtete in dieser Position zahlreiche bedeutende Organisten der folgenden Generation in Frankreich.

1911 kündigte Vierne seine Anstellung am Conservatoire und wechselte als Orgelprofessor zum kirchenmusikalischen Institut Schola Cantorum.

1906 musste Vierne nach einem komplizierten Beinbruch seine Pedaltechnik völlig neu erlernen; 1907 erkrankte er lebensbedrohlich an Typhus, einige Jahre später an grünem Star und erblindete schließlich völlig. Trotzdem unternahm Vierne Konzertreisen durch Europa und die Vereinigten Staaten, auf denen er auch als brillanter Improvisator hervortrat. Vierne starb 1937 während eines Orgelkonzerts am Spieltisch seiner Orgel in Notre-Dame an den Folgen eines Gehirnschlags. Viernes Schüler Maurice Duruflé berichtete später darüber:

Vierne hatte soeben mit großem Ausdruck sein letztes Werk, das Triptyque, gespielt. Ich stand neben ihm, um zu registrieren. Als er den letzten Satz des Triptyque (Stèle pour un enfant défunt) begann, wurde er blaß, seine Finger hingen förmlich an den Tasten und als er seine Hände nach dem Schlußakkord abhob, brach er auf der Orgelbank zusammen: Ein Gehirnschlag hatte ihn getroffen. An dieser Stelle des Programms sollte er über das gregorianische Thema Salve Regina improvisieren. Aber anstelle dieser Hommage der Patronin Notre-Dames hörte man nur eine einzige lange Pedalnote: Sein Fuß fiel auf diesen Ton und erhob sich nicht mehr.[1]

Nach Viernes letztem Willen schwieg die Orgel von Notre-Dame in seinem Trauergottesdienst und war schwarz verhüllt; die einzige Musik bestand aus gregorianischem Gesang. Vierne wurde auf dem Friedhof Montparnasse in der Nähe seiner Freunde César Franck, Alexandre Guilmant, Camille Saint-Saens und Vincent d'Indy beigesetzt.

Neben dem schon erwähnten Maurice Duruflé zählen zu Viernes Schülern: Alphonse Schmitt, Augustin Barié, Lili Boulanger, André Fleury und Adrien Rougier.

Kompositionen

Orgel Solo

  • Allegretto op. 1 (komponiert 1894)
  • Verset fugué sur 'In exitu Israel' (komponiert 1894)
  • Prélude funèbre c-Moll, op. 4 (komponiert 1896)
  • Communion op. 8 (komponiert 1900)
  • Erste Sinfonie d-Moll, op. 14 (komponiert 1898-1899)
  • Zweite Sinfonie e-Moll, op. 20 (komponiert 1902)
  • Dritte Sinfonie fis-Moll, op. 28 (komponiert 1911)
  • Vierte Sinfonie g-Moll, op. 32 (komponiert 1914)
  • Prélude fis-Moll, ohne op. (komponiert 1914)
  • Fünfte Sinfonie a-Moll, op.47 (komponiert 1923-1924)
  • 24 Pièces de fantaisie:
    • Première Suite op. 51 (komponiert 1926)
    • Deuxième Suite op. 53(komponiert 1926)
    • Troisième Suite op. 54 (komponiert 1927), darin enthalten das berühmte "Carillon de Westminster" ()
    • Quatrième Suite op. 55 (komponiert 1927)
  • Trois Improvisations (Notre-Dame-de-Paris, November 1928), transkribiert von Maurice Duruflé (1954):
    • Marche épiscopale
    • Méditation
    • Cortège
  • Triptyque op. 58 (komponiert 1929-1931):
    • Matines
    • Communion
    • Stèle pour un enfant défunt
  • Sechste Sinfonie h-Moll, op. 59 (komponiert 1930)

Orgel oder Harmonium

  • Messe basse, op. 30 für Orgel oder Harmonium (komponiert 1912)
  • 24 pièces en style libre op. 31 für Orgel oder Harmonium (komponiert 1913)
  • Messe basse pour les défunts op. 62 für Orgel oder Harmonium (komponiert 1934)

Klavier Solo

  • Deux Pièces, op. 7 (komponiert 1895):
    • Impression d'automne
    • Intermezzo
  • Feuillets d'album, op. 9 (verschollen):
    • 1. Matin d'été
    • 2. Contemplation
    • 3. La Mer et la Nuit
    • 4. Nuit étoilée
    • 5. Coup de vent
    • 6. Le vieux Berger
    • 7. La Valse
    • 8. Dans le Bois
    • 9. Chanson des Faucheurs
  • Suite bourguignonne, op. 17 (komponiert 1899):
    • Aubade
    • Idylle
    • Divertissement
    • Légende
    • Angélus du soir
    • Danse rustique
    • Clair de lune
  • Trois Nocturnes, op. 34 (komponiert 1916)
  • Douze Préludes, op. 36 (komponiert 1914-15)
  • Poème des cloches funèbres, op. 39 (komponiert 1916):
    • 1. Cloches dans le cauchemar (verschollen)
    • 2. Le Glas
  • Silhouettes d'enfants, op. 43 (komponiert 1918):
    • 1. Valse
    • 2. Chanson
    • 3. Divertissement
    • 4. Barcarolle
    • 5. Gavotte dans le style ancien
  • Solitude, op. 44 (komponiert 1918):
    • 1. Hantise
    • 2. Nuit blanche
    • 3. Vision hallucinante
    • 4. Ronde des revenants
  • Pièce pour piano, op. 49 (komponiert 1922)

Kammermusik

  • Deux Pièces für Violoncello, op. 5
  • Largo et Canzonetta für Oboe und Klavier, op. 6 (komponiert 1896)
  • Streichquartett, op. 12 (komponiert 1894)
  • Sonate für Violine und Klavier, op. 23 (komponiert 1905-1906)
  • Rhapsodie für Harfe, op. 25 (komponiert 1909)
  • Sonate für Violoncello und Klavier, op. 27 (komponiert 1910)
  • Klavierquintett, op. 42 (komponiert 1917)
  • Soirs étrangers für Violoncello und Klavier, op. 56 (komponiert 1928)
  • Quatre poèmes grecs für Sopran und Harfe oder Klavier, op. 60 (komponiert 1930)

Sonstige Kompositionen

  • Messe solennelle cis-Moll für Chor und zwei Orgeln, op. 16 (komponiert 1900)
  • Praxinoé für Soli, Chor und Orchester, op. 22 (komponiert 1903-1905)
  • Sinfonie a-Moll für Orchester, op. 24 (komponiert 1907-1908)
  • Psyché für Sopran und Orchester, op. 33 (komponiert 1914)
  • Les Djinns für Sopran und Orchester, op. 35 (komponiert 1912)
  • Éros für Sopran und Orchester, op. 37 (komponiert 1916)
  • Spleens et Détresses für Sopran und Klavier oder Orchester, op. 38 (komponiert 1916)
  • Dal Vertice für Tenor und Orchester, op. 41 (komponiert 1917)
  • Marche Triomphale für Orgel, 3 Trompeten, 3 Posaunen und Pauke, op. 46
  • Poème für Klavier und Orchester, op. 50 (komponiert 1925)
  • Les Angélus für Gesang und Orgel, op. 57 (komponiert 1929)
  • La Ballade du désespéré für Tenor und Orchester oder Klavier, op. 61 (komponiert 1931)
  • Lieder nach Texten von Paul Verlaine, Charles Baudelaire u. a.

Diskographie

  • Louis Vierne: Lieder: Rachel Santesso, Sopran; Roger Vignoles, Klavier; Andrew Reid, Orgel; Hugh Webb, Harfe. (Deux-Elles)
  • Louis Vierne: Klavierquintett op. 42: Stephen Coombs, Klavier; Chilingirian Quartet. (Hyperion)
  • Orgelsinfonien Nr. 1-4 Marie Claire Alain (Erato)
  • Orgelsinfonien Nr. 1-6 Pierre Labric (The Musical Heritage Society)
  • Orgelsinfonien Nr. 1-6 Pierre Cochereau (FY)
  • Orgelsinfonien Nr. 1-6 Jeremy Filsell (Brilliant Classics)
  • Orgelsinfonien Nr. 1-6: Martin Jean, Orgel. (Loft Recordings)
  • Orgelsinfonien Nr. 1-6: David Sanger, Orgel. (Meridian Records)
  • Louis Vierne: Sämtliche Orgelwerke: Christine Kamp, Orgel. (Festivo).
  • Louis Vierne: Sämtliche Orgelwerke: Pierre Cochereau & George C. Baker, Orgel. (Solstice). 7 CDs.
  • Louis Vierne: Sämtliche Orgelwerke: Ben van Oosten, Orgel. (MDG). 8 CDs.

Anmerkungen

  1. Zitiert nach einem Beitrag in Musik und Theologie über Vierne

Literatur

  • Bernard Gavoty: Louis Vierne. La vie et l'uvre. Buchet/Chastel, Paris 1943.
  • Markus F. Hollingshaus: Die Orgelwerke von Louis Vierne. Dohr, Köln 2005, ISBN 3-936655-25-1.
  • Louis Vierne: Mes souvenirs, Paris 1934-1937; deutsche Ausgabe: Meine Erinnerungen. Dohr, Köln 2004, ISBN 3-925366-93-8.

Weblinks

Vorgänger Amt Nachfolger
Eugène Sergent Titularorganist an der Orgel von Notre Dame de Paris
1900-1937
Léonce de Saint-Martin
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