Kurt Sanderling

Kurt Sanderling

geboren am 19.9.1912 in Arys, Ermland-Masuren, Polen

gestorben am 18.9.2011 in Berlin, Berlin, Deutschland

Kurt Sanderling

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Kurt Sanderling (* 19. September 1912 in Arys, Kreis Johannisburg, Ostpreußen; † 18. September 2011 in Berlin) war ein deutscher Dirigent.

Leben

Sanderling arbeitete 1931 als Korrepetitor an der Städtischen Oper in Berlin-Charlottenburg. Nach dem Wahlsieg der NSDAP bei der Reichstagswahl März 1933 war er 1933 für den Jüdischen Kulturbund tätig. Weil er 1935 als Jude ausgebürgert wurde, musste er 1936 zu seinem Onkel nach Moskau emigrieren. Hier wurde er Korrepetitor und später Dirigent beim Moskauer Rundfunk. Sein Debüt gab er 1937 mit Mozarts Entführung aus dem Serail. 1940 bis 1942 war er Chefdirigent der Philharmonie Charkow in der Ukraine. Nach einem Gastspiel mit den Leningrader Philharmonikern wurde er unter Jewgeni Mrawinski zweiter Chefdirigent dieses Orchesters. Er übte dieses Amt von 1942 bis 1960 aus.

Nach der Rückkehr nach Ost-Berlin war Sanderling von 1960 bis 1977 der Chefdirigent des Berliner Sinfonie-Orchesters. Gleichzeitig leitete er von 1964 bis 1967 die Sächsische Staatskapelle Dresden. Von 1994 bis 1998 war er Kuratoriumsmitglied des Berliner Schauspielhauses.

Sanderling war neben Günter Wand (1912–2002) der letzte direkte Nachfahre der deutschen romantischen Schule, er hatte keinen Unterricht im Dirigieren. Das Taktschlagen könne sich jeder in wenigen Stunden aneignen, dazu brauche er kein Studium. Die beste Schule sei noch immer die Praxis, nicht die Theorie.

Als Dirigent engagierte sich Sanderling für die Werke von Gustav Mahler, Johannes Brahms und Dmitri Schostakowitsch, mit dem er bis zu dessen Tod 1975 eine enge Freundschaft unterhielt. Auch wurde Sanderling als Interpret der Werke von Jean Sibelius bekannt.[1] Außerdem brachte er u. a. Werke von Günter Kochan zur Uraufführung.

Die meisten von Sanderlings Familienmitgliedern sind ebenfalls Musiker: sein Sohn Thomas Sanderling, aus der ersten Ehe mit Nina Schey, ist Dirigent. Seit 1963 war Sanderling in zweiter Ehe mit der Kontrabassistin Barbara Sanderling verheiratet. Seine Söhne aus dieser Ehe sind der Dirigent Stefan Sanderling und der Cellist Michael Sanderling, der seit einigen Jahren ebenfalls als Dirigent auftritt.[2][3]

Kurt Sanderling starb am Tag vor seinem 99. Geburtstag. Er wurde auf dem Friedhof Pankow III beigesetzt.

Am 23. September 2016 wurde an seinem ehemaligen Wohnort, Berlin-Niederschönhausen, Am Iderfenngraben 47, eine Berliner Gedenktafel enthüllt.

Zitate

„Sehen Sie, 1941, da war ich 29 Jahre alt und wurde Dirigent eines der bedeutendsten Orchester der Sowjetunion, der Leningrader Philharmonie. Das ist doch ein unglaublicher Glücksfall.“

Kurt Sanderling, 2007[4]

Diskografie

  • Beethoven, Sinfonien 1–9, Philharmonia Orchestra, 1981.
  • Beethoven, Sinfonien Nr. 6 Pastorale, WDR Sinfonieorchester Köln, 1985.
  • Beethoven, Klavierkonzerte 4, 5, Emil Gilels, Leningrader Philharmoniker, 1957.
  • Beethoven, Konzerte für Klavier und Orchester 1–5, Mitsuko Uchida, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, 1996–1999.
  • Borodin, Sinfonie Nr. 2 h-moll op. 5, Sächsische Staatskapelle Dresden, 1963.
  • Brahms, Sinfonien 1–4, Sächsische Staatskapelle Dresden, 1971/72.
  • Brahms, Sinfonien 1–4, Berliner Sinfonieorchester.
  • Brahms, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-moll op. 15, Hélène Grimaud, Staatskapelle Berlin, 1997.
  • Brahms, Konzert für Violine, Violoncello und Orchester A-moll op. 102, Thomas Zehetmair, WDR Sinfonieorchester Köln, 1985.
  • Bruckner, Sinfonie Nr. 3 d-moll, Gewandhausorchester Leipzig, 1965.
  • Bruckner, Sinfonie Nr. 3 d-moll, BBC Northern Symphony Orchestra, 1978.
  • Bruckner, Sinfonie Nr. 4 Es-Dur, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, 1994.
  • Bruckner, Sinfonie Nr. 7 E-Dur, Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, 1999.
  • Mahler, Sinfonie Nr. 4 G-Dur, Felicity Lott, BBC Northern Symphony Orchestra, 1978.
  • Mahler, Sinfonie Nr. 9 D-Dur, Berliner Sinfonieorchester, 1981.
  • Mahler, Sinfonie Nr. 9 D-Dur, BBC Northern Symphony Orchestra, 1982.
  • Mahler, Sinfonie Nr. 9 D-Dur, Philharmonia Orchestra, 1992.
  • Mahler, Sinfonie Nr. 10 Fis-Dur, Berliner Sinfonieorchester, 1981.
  • Mahler, Das Lied von der Erde, Birgit Finnilä, Peter Schreier, Berliner Sinfonieorchester, 1985.
  • Rachmaninow, Sinfonie Nr. 1 op. 13, Leningrader Philharmoniker, 1959.
  • Rachmaninow, Sinfonie Nr. 2 e-moll op. 27, Leningrader Philharmoniker, 1956.
  • Rachmaninow, Sinfonie Nr. 2 e-moll op. 27, Leningrader Philharmoniker, 1989.
  • Rachmaninow, Klavierkonzerte 1, 2, Swjatoslaw Richter, Leningrader Philharmoniker, 1945.
  • Rachmaninow, Klavierkonzerte 1–4, Peter Rösel, Berliner Sinfonieorchester, 1982/81, 1990.
  • Schostakowitsch, Sinfonie Nr. 1 f-moll op. 10, Berliner Sinfonieorchester, 1983.
  • Schostakowitsch, Sinfonie Nr. 5 d-moll op. 46, Berliner Sinfonieorchester, 1984.
  • Schostakowitsch, Sinfonie Nr. 6 h-moll op. 54, Berliner Sinfonieorchester, 1979.
  • Schostakowitsch, Sinfonie Nr. 8 c-moll op. 65, Berliner Sinfonieorchester, 1977.
  • Schostakowitsch, Sinfonie Nr. 10 e-moll op. 93, Berliner Sinfonieorchester, 1978.
  • Schostakowitsch, Sinfonie Nr. 15 A-Dur, op. 141, Berliner Sinfonieorchester, 1979.
  • Franz Schubert, Sinfonie Nr. 8 h-moll Die Unvollendete, BBC Northern Symphony Orchestra, 1978.
  • Sibelius, Sinfonien 1–7, Berliner Sinfonieorchester, 1977, 1975, 1971, 1979, 1972, 1976, 1979.
  • Sibelius, Finlandia op. 26 Nr. 7, Berliner Sinfonieorchester, 1972.
  • Tschaikowski, Sinfonie Nr. 4 f-moll op. 36, Leningrader Philharmoniker, 1956.
  • Tschaikowski, Sinfonie Nr. 4 f-moll op. 36, Berliner Sinfonieorchester, 1978.
  • Tschaikowski, Sinfonie Nr. 5 e-moll op. 64, Berliner Sinfonieorchester, 1979.
  • Tschaikowski, Sinfonie Nr. 6 h-moll op. 74, Berliner Sinfonieorchester, 1979.
  • Tschaikowski, Capriccio Italien op. 45, Tokyo Metropolitan Symphony Orchestra, 1983.

Auszeichnungen

  • 1962: Nationalpreis der DDR II. Klasse für Kunst und Literatur
  • 1971: Banner der Arbeit
  • 1974: Nationalpreis der DDR I. Klasse für Kunst und Literatur
  • 1987: Nationalpreis der DDR I. Klasse für Kunst und Literatur
  • 1989: Arthur-Nikisch-Preis der Stadt Leipzig
  • 1992: Deutscher Kritikerpreis, gemeinsam mit Günter Wand
  • 1994: Großes Bundesverdienstkreuz
  • 2002: Commander of the British Empire

Filme

  • Seine Liebe zu Brahms. Kurt Sanderling unterrichtet die 4. Sinfonie. (Mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR) Dokumentation, 60 Min., ein Film von Norbert Beilharz, Erstausstrahlung: 2. November 2003, Inhaltsangabe des SWR
  • Der Dirigent Kurt Sanderling. Ein Reisender durch ein Jahrhundert. Porträt, Deutschland, 2012, 43 Min., Buch und Regie: Elke Sasse, Produktion: sounding images, rbb, Erstausstrahlung: 18. September 2012 im rbb, Inhaltsangabe von rbb.

Literatur

Weblinks

 Commons: Kurt Sanderling – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Sanderling. In: Brockhaus: Musik. Mannheim / Leipzig 2006, Lemma
  2. Kurt Sanderling im Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit (LexM)
  3. John Fleming: Sanderling to conduct his family. In: St. Petersburg Times. 4. März 2005, archiviert vom Original am 29. Oktober 2005; abgerufen am 1. Juli 2012.
  4. Mein Schicksal ist gnädig gewesen. In: Berliner Zeitung, 22. September 2007
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 10.06.2018 18:39:59

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Kurt Sanderling aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation.
In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.